In naher Zukunft könnten Küchen in privaten Haushalten entweder nicht mehr nötig sein, da Drohnen unser Essen liefern, oder aber zu unpraktischen Statussymbolen mutieren. Während intelligente Küchenmaschinen teil-autonom kochen, kauft der smarte Kühlschrank selbständig online ein. Ob wir diesen von Designer:innen und Werbefachleuten beschworenen Szenarien Glauben schenken oder nicht, Tatsache ist, dass sich Küchen und Kochtechnologien rapide verändern und damit auch die alltägliche Nahrungszubereitung. Die Kulturanthropologie begegnet solch einseitigen Visionen technologischen Einflusses auf Alltagspraktiken mit Skepsis und ist ideal positioniert, um die komplexen Verwicklungen von kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Faktoren in zunehmend digital vermittelten Mensch-Maschine Interaktionen im Alltag zu erforschen.
In meinem Forschungsprojekt „Cyborg Cook: Häusliche Nahrungszubereitung im digitalen Zeitalter“ erforsche ich die Interaktion von Menschen und Maschinen im häuslichen Alltag anhand teilnehmender Beobachtung in diversen Küchen in Frankfurt und der Rhein-Main Region. Seit Januar 2022 nehme ich dazu wiederholt an den alltäglichen Einkaufs-, Koch- und Esspraktiken von zehn Haushalten teil. Zur Triangulation besuche und interviewe ich darüber hinaus zehn weitere Haushalte einmalig. Ergänzt wird meine teilnehmende Beobachtung in privaten Haushalten durch Expert:inneninterviews mit Marketing- und Trendforscher:innen, Softwareentwickler:innen und Influencer:innen sowie ab Januar 2023 anhand auto-ethnographischer digitaler Feldforschung.
Der Beitrag schlägt vor, häusliche Kochpraktiken, Digitalisierung und die Interaktion zwischen Mensch und Maschine im Alltag qualitativ-sensorisch zu erforschen. Anhand zweier Fallbeispiele, der Nutzung von Smartphones zum Lebensmitteleinkauf und dem Einsatz von digitalen Küchenrobotern bei der Nahrungszubereitung, wird argumentiert, dass häusliche Nahrungszubereitung deutlich digitaler oder ‚smarter‘ ist als von Designer:innen, Werbefachleuten und der Gesellschaft insgesamt oft angenommen wird. Diese Beobachtung stützt sich auf der materialistisch-feministischen Konzeptionierung alltäglicher Köch:innen als cyborgs, die, laut Donna Haraway, halb Mensch und halb Maschine, ihr körperliches und digitales Wissen in einem digital vernetzten Markt und Zuhause kollaborativ kombinieren. Der Beitrag schließt mit einem Plädoyer für mehr sensorisch-anthropologische Forschung in digital durchdrungenen Alltagen.