Digitalisierungsprozesse werden von unterschiedlichen Zukunftsvorstellungen begleitet, die von euphorischen Visionen bis hin zu düsteren Dystopien reichen. Zwischen diesen Extremen existieren im Alltag vielfältige Bedeutungszuschreibungen. Daher lohnt sich ein Blick auf die Grauzonen, Widersprüche sowie Konflikte: Die vielfach konstatierte ,digitale Durchdringung‘ des Alltags gilt längst nicht für alle Lebenswelten gleichermaßen. Forschungen zu ‚digital divide‘ und ,digital inequality‘ zeigen, dass bestehende Kategorien sozialer Ungleichheit und die Möglichkeiten der Teilhabe auch im Digitalen eine wesentliche Rolle spielen. Ungleichheiten entstehen nicht erst im technischen Zugang und in der Nutzung, sondern sind bereits in der Entwicklung von digitalen Technologien sowie in politischen Programmen angelegt, in die sich soziokulturelle Vorannahmen einschreiben
Ausgehend von diesen Perspektivierungen gibt der Vortrag Einblicke in mein laufendes ethnografisches Promotionsprojekt zu Digitalisierungsprozessen in einer deutschen Justizvollzugsanstalt. Insbesondere die Gestaltung digitaler Zugänge für Gefangene ist ein Prozess, der sich in Deutschland vielerorts erst entwickelt und unterschiedlich umgesetzt wird. Die Feldforschung findet daher zu großen Teilen in einem ‚Offline-Feld‘ statt. Im Fokus des Vortrags stehen erste Zwischenergebnisse zu den alltäglichen Aushandlungen aktueller und zukünftiger (Nicht-)Digitalisierung innerhalb des Gefängnisses. Welche Positionen nehmen Gefangene, Angestellte im Justizvollzug und weitere Akteur:innen ein und welche Rolle spielen dabei Paradigmen wie beispielsweise Resozialisierung, Sicherheit oder Strafe? Darüber hinaus soll der Frage nachgegangen werden, welche Perspektiven die Empirische Kulturwissenschaft durch ihren akteur:innenzentrierten Fokus auf Alltagspraktiken in dieses politische Feld einbringen kann.