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↓ Sei Dein:e eigene:r Chef:in – Selbstbestimmung vs. Fremdbestimmung in digitalen Plattformunternehmen

11:30 - 12:00 - Z 1.08/1.09

Jasmin Schreyer (Erlangen/Nürnberg)

Die Selbstbeschreibung von digitalen Plattformunternehmen rekurriert häufig auf Narrative wie der Zugehörigkeit zu einer technologischen und nachhaltigen Avantgarde, die eine Veränderung der sozialen Wirklichkeit durch Technik und Innovation schaffen würde. Jedoch sind Plattformunternehmen als Intermediäre – nicht als Arbeitgeber:innen – dem Grundgedanken nach auf der großflächigen, automatisierten und vernetzten Sammlung und Nutzung von Daten als Geschäftsmodell aufgebaut. Die Ausgestaltung dieses Datafizierungsbemühens hat Auswirkungen und Konsequenzen für die Arbeitspraxis und unterläuft z.T. die Narrationen der Plattformen. 

Anhand von zwei empirischen Beispielen aus dem Fahrradkurierwesen sollen maximal divergierende Organisationen gegenübergestellt werden. Gemeinsam ist ihnen die Verwendung algorithmischer Infrastrukturen zur Arbeitskoordination, wobei sie sehr unterschiedliche Arbeitskulturen und Gemeinschaften herausgebildet haben. Der kommerzielle Kurierdienst bemüht rhetorisch die selbstbestimmte und freie Arbeit, ersetzt dabei den:die direkte:n Chef:in durch eine Steuerung durch ein algorithmisches Management. Der kooperativ betriebene Kurierdienst hingegen setzt bei dem Einsatz von technischen Tools auf Partizipation und Mitbestimmung. Unabhängig von der Unternehmensform haben alle Arbeiter:innen sich digital vernetzt und (über-)regionale Gemeinschaften etabliert. 

Die Besonderheiten der unterschiedlichen Kulturen der Digitalität in den Blick nehmend, sollen die alltäglichen Herausforderungen von digitalen Arbeitskulturen beleuchtet werden und was das konkret für die Ausübung der Erwerbsarbeit (und im Falle des Kollektivs für ihr Leben) bedeutet. Zum einen geraten dadurch die digital organisierten alltäglichen Austauschbeziehungen in den Fokus. Zum anderen sollen die Arbeitsorganisationen in Bezug auf Selbstbestimmung, Nudging und Gamification betrachtet werden. 

Der Vortrag beruht auf zwei qualitativen Fallstudien, die im Rahmen des Projekts „Digitale Projektgemeinschaften als Innovationsinkubatoren“ von 2017-2020 erhoben wurden und Teil meines Dissertationsprojekts sind. Mein Interesse gilt dem Spannungsverhältnis der algorithmischen Arbeitskoordination zwischen Autonomie und Kontrolle. Im Rahmen meiner derzeitigen Tätigkeit im DFG-Forschungsverbund „Digitalisierung der Arbeitswelten“ beschäftigen mich dazu Fragen rund um die digitale Transformation alltäglicher Arbeitsbeziehungen.