Dichte und Heterogenität sind charakteristische Eigenschaften des Urbanen, ebenso typisch ist die Gleichzeitigkeit von verschiedenen, auch miteinander in Konflikt stehenden Prozessen und Phänomenen. Angesichts der Komplexität sich überlagernder Räume fragt der Beitrag im Kontext der Digitalisierung nach lebensweltlichen Effekten auf die Stadtgesellschaft und geht generell davon aus, dass sich mit dem zunehmenden Ausbau und den Möglichkeiten digitaler Infrastrukturen nicht nur der städtische Alltag verändert, sondern auch kulturelle und soziale Praktiken einem tiefgreifenden Wandel unterliegen (vgl. Stalder 2016).
Feld und Gegenstand der Analyse bildet München. Im Zentrum der Stadt und angrenzenden Quartieren lassen sich entsprechende Entwicklungen in verdichteter Form beobachten. Ein wesentliches Thema ist der ökonomisierte Immobilienmarkt mit gravierenden Auswirkungen auf das Leben in der Stadt (vgl. Harvey 2013). Wohnungen, Häuser und Appartements werden über Portale im Internet gehandelt – von Immoscout bis zu Airbnb. Zeitgleich baut Google seinen Firmensitz im so genannten Postpalast, in der unmittelbaren Nähe zu Wissensinstitutionen wie der LMU und der TUM mit ihren Talents und Technologies versuchen sich auch andere Global Player anzusiedeln (vgl. Florida 2002). Im Kontext von Stadt und New Economy lässt sich analog verfolgen, wie sich Plattform basierte Ökonomien und damit verknüpfte Konsumpraktiken in den physischen Raum einschreiben (vgl. Altenried, Animento, Bojadžijev 2021). Mit der Unterstützung von digitalen Zwillingen werden in der Smart City zugleich Projekte entwickelt, die den Stadtraum etwa im Hinblick auf Mobilitäten und Klimaziele nachhaltig umgestalten. Digitale Visualisierungen lassen die Stadt der Zukunft erahnen. „Shaping Urban Future“ lautet entsprechend der titelgebende Slogan eines Immobilienunternehmens, das ein historisches Gebäude, in dem viele Jahrzehnte ein Kaufhaus untergebracht war, zu einem flexiblen, urbanen Bürokomplex umstrukturiert.
Der Beitrag geht im Sinne einer reflexiven Digitalisierung (vgl. Beck, Giddens, Lash 1996) davon aus, dass auch in der Spätmoderne kulturelle und soziale Nebenfolgen einer Digitalität des Städtischen zu beobachten sind. Auf der empirischen Basis der skizzierten Transformationen, die vielfach positiv bewertet werden, stellt sich aus einer kulturanalytischen Sicht die Frage nach Irritationen, die sich beispielsweise an Kontroversen um den Zugang zu konsumfreien Orten, um Verdrängung, nicht gewährter Teilhabe oder die Frage nach der Repräsentation einer diversen Stadtgesellschaft festmachen lassen.