ABGESAGT - Z.108/109
Stefanie Schmidt (Hamburg)
Teil-)autonome Waffensysteme werden nicht erst seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine und dem dort zunehmenden Einsatz verschiedener unbemannter (aber bislang nicht autonomer) Luftfahrzeuge (i.d.R. Drohnen) kontrovers diskutiert. Politiker:innen, Zivilgesellschaft, Militär und Wissenschaft debattieren seit Jahren, ob und inwieweit mitder Ausweitung von KI-basierter, maschineller Autonomie ein Verlust an menschlicher Kontrolle in und über wichtige Kriegshandlungen (z.B. Tötungsentscheidungen) droht. In diesen Diskussionen ist vor allem das Konzept der „Meaningful Human Control“ (vgl. Sharkey 2020) zentral, das (völker-)rechtliche wie ethische Verantwortung in der Interaktion gewährleisten soll. Militär und Rüstungsindustrie arbeiten daher bspw. an KI-basierten Systemen, die rechtlichen Rahmungen entsprechen und ein „ethics by design“ mitbringen sollen. Aus kulturanthropologischer Perspektive stellt sich die Frage danach, wie diese Systeme ethisches Handeln zu gewährleisten suchen und welche Vorstellungen von Gesellschaft und kriegerischen Auseinandersetzungen dabei grundlegend sind.
Der Vortrag bietet Einblick in eine aktuell laufende Forschung, die sich als Teil eines interdisziplinären Forschungsverbunds (MEHUCO. Meaningful human control. Autonome Waffensysteme zwischen Reflexion und Regulation) den soziokulturellen Dimensionen autonomer Waffensysteme zuwendet. Auf Basis von Interviews und ersten ethnografischen Einblicken widmet sich der Vortrag der Frage danach, welche kollektiv getragenen Vorstellungen zukünftiger Kriege bei der Entwicklung von Waffensystemen Bezugspunkte sind und welche Formen der Wirklichkeitserzeugung (vgl. Dippel/Warnke 2022) dabei relevant werden.
Sharkey, Noel (2020): Fully Autonomous Weapons Pose Unique Dangers to Humankind, in: ScientificAmerican, 322 (2), S. 52-57.
Dippel, Anne/Warnke, Martin (2022): Tiefen der Täuschung. Computersimulationen
und Wirklichkeitserzeugung. Matthes&Seitz: Berlin.