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Meteorologische Vorhersagen sind durch Satellitentechnik, verfeinerte Messverfahren und expandierende Messnetzte sowie die Möglichkeit, immer komplexere Modellberechnungen anzustellen, in den vergangenen Jahrzehnten stetig präziser geworden. Heute sind Wettervorhersagen für praktisch jeden Ort der Welt abrufbar. Apps sind in diesem Zusammenhang zu zentralen Medien avanciert und heute standardmäßig auf Smartphones installiert. Zudem steht ein stark diversifiziertes Angebot für verschiedene Zielgruppen und Anwendungsbereiche zur Verfügung (z.B. Landwirtschaft, Bergsport, Wassersport). War die Wettervorhersage bis vor rund zwei Jahrzehnten noch vornehmlich Aufgabe staatlicher Institutionen, wie in Österreich der ZAMG, hat sich mit der ‚Digitalisierung‘ ein florierender und ausdifferenzierter Markt an Vorhersageunternehmen entwickelt.

Nach kontextualisierenden Schlaglichtern auf technikhistorische Entwicklungen und damit verbundenen Vorhersageökonomien konzentriere ich mich in meinem Beitrag auf alltägliche Nutzungspraktiken von Wetter-Apps. Fragen, denen ich nachgehe, sind: Wie (ko)strukturieren die Apps Alltage zeitlich und räumlich? Welche Spekulationen und Antizipationen ermöglichen/provozieren sie?  Welchen Einfluss nehmen sie durch ihr Design auf das Bild, das sich Menschen vom Wetter machen? Durch welche Wissensbestände, Erfahrungen und Praktiken werden die Vorhersagen von Apps ‚trianguliert‘? Welche Position nehmen sie also in verschiedenen Wetterwissens-Kontexten ein?

Theoretisch ist die Forschung durch Perspektiven der kulturwissenschaftlichen Technikforschung inspiriert, die Technik nicht explizit stellt, sondern nach deren lebensweltlicher Einbettung fragt. Empirisch nähere ich mich diesen Fragen vornehmlich auf Basis ethnografischer Materialien, die ich derzeit in einer Feldforschung zum Thema „Kulturelle Dimensionen des Wetters in Zeiten des Klimawandels“ am Neusiedler Sees durchführe. Ich spüre dem Wetter dort als unmittelbar sinnlich erfahrbarem sowie hochgradig technisch und medial vermitteltem Phänomen nach, im Spannungsfeld seiner vermeintlichen Banalität und ökologisch wie ökonomisch existenziellen Wirkmacht. Wetter-Apps lassen sich dabei als Bestandteil eines vielschichtigen Gewebes wetterverbundener Wissensformen, Technologien, Erfahrungen und Praktiken betrachten, das sich in der betrachteten Region auf besondere Weise verdichtet.

In naher Zukunft könnten Küchen in privaten Haushalten entweder nicht mehr nötig sein, da Drohnen unser Essen liefern, oder aber zu unpraktischen Statussymbolen mutieren. Während intelligente Küchenmaschinen teil-autonom kochen, kauft der smarte Kühlschrank selbständig online ein. Ob wir diesen von Designer:innen und Werbefachleuten beschworenen Szenarien Glauben schenken oder nicht, Tatsache ist, dass sich Küchen und Kochtechnologien rapide verändern und damit auch die alltägliche Nahrungszubereitung. Die Kulturanthropologie begegnet solch einseitigen Visionen technologischen Einflusses auf Alltagspraktiken mit Skepsis und ist ideal positioniert, um die komplexen Verwicklungen von kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Faktoren in zunehmend digital vermittelten Mensch-Maschine Interaktionen im Alltag zu erforschen.

In meinem Forschungsprojekt „Cyborg Cook: Häusliche Nahrungszubereitung im digitalen Zeitalter“ erforsche ich die Interaktion von Menschen und Maschinen im häuslichen Alltag anhand teilnehmender Beobachtung in diversen Küchen in Frankfurt und der Rhein-Main Region. Seit Januar 2022 nehme ich dazu wiederholt an den alltäglichen Einkaufs-, Koch- und Esspraktiken von zehn Haushalten teil. Zur Triangulation besuche und interviewe ich darüber hinaus zehn weitere Haushalte einmalig. Ergänzt wird meine teilnehmende Beobachtung in privaten Haushalten durch Expert:inneninterviews mit Marketing- und Trendforscher:innen, Softwareentwickler:innen und Influencer:innen sowie ab Januar 2023 anhand auto-ethnographischer digitaler Feldforschung.

Der Beitrag schlägt vor, häusliche Kochpraktiken, Digitalisierung und die Interaktion zwischen Mensch und Maschine im Alltag qualitativ-sensorisch zu erforschen. Anhand zweier Fallbeispiele, der Nutzung von Smartphones zum Lebensmitteleinkauf und dem Einsatz von digitalen Küchenrobotern bei der Nahrungszubereitung, wird argumentiert, dass häusliche Nahrungszubereitung deutlich digitaler oder ‚smarter‘ ist als von Designer:innen, Werbefachleuten und der Gesellschaft insgesamt oft angenommen wird. Diese Beobachtung stützt sich auf der materialistisch-feministischen Konzeptionierung alltäglicher Köch:innen als cyborgs, die, laut Donna Haraway, halb Mensch und halb Maschine, ihr körperliches und digitales Wissen in einem digital vernetzten Markt und Zuhause kollaborativ kombinieren. Der Beitrag schließt mit einem Plädoyer für mehr sensorisch-anthropologische Forschung in digital durchdrungenen Alltagen.

„Werde auch du zum Crowdfunding-Profi und bringe deine Projektidee mit lokalhelden.ch zum Fliegen“, schlägt die mobile Zahlungs-App, die fürs alltägliche Bezahlen und z.B. auch für die Aufteilung von Rechnungen in Restaurants sehr beliebt ist, beim Öffnen vor. Auf den Click auf den Button folgt die Einladung zum „kostenlosen Crowdfunding Webinar“, wo sich lernen lässt, „einfach Geld [zu] sammeln“.1 Beispiele wie dieses veranschaulichen, dass sich im Zuge der Digitalisierung durch Zahlungs-Apps und Crowdfunding-Plattformen verändert hat, wie Geld gesammelt, verteilt und gespendet wird. Die Nutzer:innen werden beim Bezahlen bemerkenswert übergangslos als moralische Subjekte angerufen – sei es als „Sammler:innen“, „Supporter:innen“ oder „Konsument:innen“. Auch klassische charities bedienen sich vielfach einer ähnlichen Sprache und Logik, in manchen Fällen auch Initiativen, die öffentliche Einrichtungen bei ihren Grundaufgaben unterstützen. Bezahlen, Spenden und Unterstützen liegen potenziell eng beieinander – und werden durch Ästhetik, Vokabular, Funktionen und Entscheidungsdesign solcher Apps und eines größeren semiotisch-technischen Ökosystems miteinander verbunden.

Die Erkenntnis, dass finanzielles Alltagshandeln mit moralischen Interpellationen verflochten ist, enthält für Kulturwissenschaftler:innen zunächst einmal wenig Neues. Einfache Transformationsthesen, wonach solche Anrufungen oder Infrastrukturen bereits für neue Handlungslogiken sorgen, sind leicht zu widerlegen.

Der Vortrag geht vor diesem Hintergrund der Frage nach, welche Praktiken und Imaginationen innerhalb konkreter sozialer Beziehungsnetzwerke und Alltagsroutinen mit digitalen Bezahl- und Unterstützungsformen tatsächlich verbunden sind. Und: Welche mentalen Klassifikationen von Handlungsformen prägen die Praxis – und umgekehrt? Welche Rolle spielen aus der Perspektive der Beteiligten z.B. die Unterschiede zwischen Wohltätigkeit, der Unterstützung kleinunternehmerischer Initiativen und nahweltlicher Hilfeleistung?

1 TWINT: Kostenloses Crowdfunding Webinar (Abgerufen: 24.08.22)