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Volkskundliche Sammlungen interessieren sich für Objekte der Alltagskultur. Das hat bis zum letzten Viertel des 20. Jahrhunderts grundsätzlich auch gut funktioniert. Spätestens seit den 1980er-Jahren gesellt sich zur physischen Materialität noch eine zunächst offen zur Schau getragenen Ebene des digitalen Inhalts, die zunehmend den Kern des Sammelinteresses an dem Objekt darstellt. Mit zunehmendem Alter des Objekts verblasst diese Ebene aber zusehends, wird immer unzugänglicher und kann sich schlussendlich gänzlich dem Zugang sperren.

Die derzeit eingeschlagenen Wege, wie etwa Elektronikspiele der 1980er-Jahre in Computermuseen konserviert werden – Migration, Emulation, Erhaltung und Pflege funktionsfähiger Geräte – sind für die heutigen Systeme wegen der Abhängigkeit von externen Verbindungen nicht mehr gangbar. Die Geräte selbst sind Trägermedien.

Die Ausgangslage des Vortrags bildet ein Überblick über die Arten von Technologien, die seit dem Aufkommen der Abhängigkeit von Außenverbindungen genutzt werden. Darauf aufbauend wird die Frage erörtert, was nötig wäre, um eine ähnlich nachvollziehbare Vermittlung dieser alltäglichen digitalen Dinge für die Zukunft zu gewährleisten und wie das Original zu werten ist. Dafür gibt es bereits Beispiele (Erwerb einer App bzw. ihres Quellcodes durch das Smithsonian, Erwerb von Smartphones „mit Inhalt“, unterschiedliche Ansätze zum Sammeln von digital born Objects etc.). Das digitale Spiel etwa beinhaltet zunehmend eine soziale Komponente, deren Konservierung ähnlich herausfordernd sein dürfte. Museen und Sammlungen brauchen ein Konzept, damit digitale Dinge lesbar und verständlich bleiben. Im Grunde geht es um das gemeinsame Interesse sammelnder Institutionen an der Erhaltung von Kulturgut; wir achten bei allen Neuzugängen auf die Objektgeschichten und auf die gute Dokumentation, sehen uns aber in dieser Situation mit einer besonders flüchtigen Inhaltsebene konfrontiert.

Der Beitrag soll die unterschiedlichen Ansätze vergleichen; der Sammlungsbereich Volkskunde der Landessammlungen Niederösterreich steht derzeit am Beginn dieser Auseinandersetzung. Konkrete Beispiele sollen anhand der Übernahme eines Robotik-Konvoluts aus einem Förderungsprojekt für Schüler:innen in Niederösterreich sowie der Frage nach der Erhaltung regionaler Smartphone-Apps erörtert werden. Ein besonderer Fokus soll dabei auf Möglichkeiten gelegt werden, ohne Unterstützung des Herstellers langfristig die Vermittelbarkeit der Inhalte zu gewährleisten.

Jüdisches Kulturerbe im ländlichen Franken und der heutige Umgang damit bilden die Basis der erinnerungskulturellen Feldforschungen im Rahmen meiner Dissertation. Ich führte von 2019 bis 2022 eine Ethnographie des Gedenkens an jüdische Geschichte und Kultur anhand materieller Zeugnisse in Dörfern und Kleinstädten durch. Hierfür interviewte ich Akteur:innen und begleitete in teilnehmender Beobachtung Exkursionen auf jüdische Friedhöfe und in ehemalige jüdische Stadtviertel.

Anknüpfend an erinnerungskulturelle Fachdiskurse, etwa Gottfried Korffs Beitrag zur „Öffentlichen Erinnerungskultur“ (1991) oder Konrad Köstlins Aufsatz zur „Verortung des Gedenkens“ (2006), untersuche ich ein dynamisches Feld, das sich mit Jan Assmann am Übergang vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis befindet (Assmann 2005). Mit Christoph Bareithers Perspektive der Mediated Pasts (2020) verstehe ich den Zusammenhang von (digitalen) Medien und kollektivem Erinnern als von und durch Medien geschaffen und geformt. Er bezieht sich auf die Verschränkung beider Felder in den Digital Memory Studies (z.B. Mediated Memories von José van Dijck 2007; Digital Memory Studies von Andrew Hoskins 2018; Doing Digital Heritage von Sabine Eggmann 2020).

In meinem Beitrag möchte ich auf digitale Aspekte eingehen, die sich aus meiner Ethnographie ergeben haben. In meinem Feld findet sich ein Diskurs, der für die Vermittlung von im Rahmen lokalhistorischer Forschung geschaffenem Wissen bestimmte, digitale Medien bevorzugt: Am Beispiel der Dokumentation der im Verschwinden begriffenen Inschriften von Grabsteinen historischer jüdischer Friedhöfe wird die Erstellung einer Datenbank vor einer Buchpublikation priorisiert, da man sich davon erhofft, jederzeit neues Wissen ergänzen und weltweit Zugriff sichern zu können. Andere Akteur:innen der Erforschung und Dokumentation jüdischer Grabmale praktizieren dies nicht. Daher stelle ich die Frage, aus welchen Motiven Akteur:innen digitale Datenbanken erstellen und frage auch nach der Art und Weise, wie sie dabei vorgehen.

Übergeordnet steht die Frage nach dem Zusammenhang der Digitalisierung von kulturellem Erbe und der Kanonisierung kultureller Gedächtnisse im Zentrum meiner Überlegungen.

Alljährlich im Sommer finden die „Tage der deutschsprachigen Literatur“ (TddL) in Klagenfurt am Wörthersee mit mehrtägigen Lesungen und einer Liveübertragung im Fernsehen statt. Der dort vergebene Ingeborg-Bachmann-Preis gilt als einer der wichtigsten Literaturpreise im deutschen Sprachraum. In Sozialen Medien wird unter dem Hashtag #tddl die Veranstaltung kommentierend begleitet. 2020 und 2021 fand die Veranstaltung aufgrund der Covid-19-Pandemie teilweise virtuell statt, was im Vorfeld zu kontroversen Diskussionen über das Verhältnis von Literatur und Digitalem geführt hat. Im Zentrum des Vortrages steht, wie das Verhältnis von Literatur und Digitalem in der Sendung sowie in Sozialen Medien thematisiert wird. In diesem Zusammenhang ist die Diskussion um eine mögliche Absage und dann Verlegung ins Internet im Coronajahr 2020 besonders interessant. In den Aushandlungen zwischen digitaler und literarischer Kultur sind dabei vor allem Konflikte zwischen Popularisierung und Qualitätsverlust, Literatur und Onlinekommunikation sowie alten und neuen Medien auffällig. Den Hintergrund des Vortrags bilden über zehn Jahre teilnehmende Beobachtung an der Veranstaltung vor Ort sowie Analysen der Kommunikation unter #tddl der Jahre 2017-2021.